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Fachkräfteeinwanderungsgesetz

Hintergrund

Vom Fachkräftemangel sind nicht alle, aber viele Branchen betroffen. Derzeit gibt es rund 800.000 offene Stellen – Tendenz steigend. Zwischen Juli 2021 und Juli 2022 fehlten in Deutschland nach einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) insgesamt 537.923 qualifizierte Arbeitskräfte. Einerseits steigt der Bedarf an Fachkräften in einigen Bereichen stetig an, etwa im IT-Bereich oder in den Pflegeberufen, andererseits scheiden in den kommenden Jahren zahlreiche qualifizierte Arbeitnehmer aus dem Erwerbsleben aus – die sogenannten Babyboomer.

Das im August 2023 verabschiedete „Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung“ (kurz: Fachkräfteeinwanderungsgesetz) sieht eine ganze Reihe von Maßnahmen vor, die den Zuzug nach Deutschland und die Rekrutierung ausländischer Fachkräfte erleichtern sollen.

Blaue Karte EU

Mit der Blauen Karte EU konnten schon bisher Akademiker zur Arbeit für vier Jahre nach Deutschland kommen. Voraussetzung war und ist das Erreichen einer bestimmten Gehaltsschwelle.

Neu ist, dass

  • die Einkommensgrenze gesenkt,
  • die notwendige Dauer der Berufserfahrung gekürzt und
  • auf den Nachweis von Deutschkenntnissen verzichtet wird.

(Inkrafttreten: 18. November 2023)

Die Einkommensuntergrenzen

Die für die Arbeitserlaubnis erforderlichen Mindestentgelte (Schwellenwerte) wurden gesenkt und betragen ab 18. November 2023 45,3 Prozent der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze West in der Rentenversicherung (BBG-RV West im Jahr 2023: 39.682,80 Euro, im Jahr 2024: 41.041,80 Euro) für sogenannte Engpassberufe. Das sind Berufe mit besonders großem Fachkräftebedarf, wie zum Beispiel Ingenieure und Humanmediziner, neu auch Zahnärzte, Lehrkräfte und Führungskräfte in Dienstleistungsberufen in der Kinder- und Altenbetreuung. Dieser Schwellenwert gilt auch für Berufsanfänger.

50 Prozent der BBG-RV (im Jahr 2023: 43.800,00 Euro, im Jahr 2024: 45.300,00 Euro) für alle anderen Berufe.

Außerdem gilt künftig: Wer einen Abschluss hat, kann jede qualifizierte Beschäftigung ausüben, ist also nicht an den Beruf mit der erworbenen Qualifikation gebunden. Ausnahmen gibt es nur bei bestimmten regulierten Berufen (wie zum Beispiel Ärzten und Apothekern).
(Inkrafttreten: 18. November 2023)

Erleichtert wird auch der Wechsel von einem anderen EU-Land nach Deutschland (beziehungsweise ein anderes EU-Land), wenn bereits eine Blaue Karte EU von diesem Staat ausgestellt wurde.
(Inkrafttreten: 18. November 2023)

Ergänzend gibt es erleichterte Zuzugsmöglichkeiten für die Familienangehörigen eines Inhabers einer Blauen Karte EU.
(Inkrafttreten: 1. März 2024)

Weitere Erleichterungen und Neuerungen

Berufspraktische Erfahrungen

Wer mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und einen im Ausland erworbenen und dort staatlich anerkannten Berufsabschluss hat, kann künftig als Fachkraft nach Deutschland kommen. Mit einer Gehaltsschwelle wird sichergestellt, dass diese Fachkräfte auch langfristig eine gute Perspektive auf dem Arbeitsmarkt haben. Der Abschluss muss nicht mehr zuvor in Deutschland anerkannt werden. Das soll die Bürokratie verringern und kürzere Verfahren ermöglichen.

Anerkennungspartnerschaft

Damit das Anerkennungsverfahren – soweit noch erforderlich – den Arbeitsbeginn nicht verzögert, wird die Möglichkeit einer sogenannten Anerkennungspartnerschaft zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern geschaffen. Damit sind die Einreise und Beschäftigungsaufnahme schon vor der Anerkennung des Berufsabschlusses möglich. Arbeitgeber und Arbeitnehmer verpflichten sich damit, die Anerkennung zu beantragen und das Verfahren zu betreiben. Erforderlich sind in diesen Fällen deutsche Sprachkenntnisse auf dem Niveau A2. Die Erlaubnis wird für ein Jahr erteilt und kann gegebenenfalls auf bis zu drei Jahre verlängert werden.
(Inkrafttreten: 1. März 2024)

IT-Spezialisten

Für IT-Spezialisten gibt es besondere Erleichterungen: Die notwendige einschlägige Berufserfahrung wird auf zwei Jahre reduziert (vorher drei Jahre). Ein formeller Berufs- oder Hochschulabschluss ist nicht erforderlich. Auch Sprachkenntnisse müssen für das Visum von diesem Personenkreis nicht mehr nachgewiesen werden.
(Inkrafttreten: 18. November 2023)

Die Chancenkarte

Für Menschen aus Drittstaaten, die noch kein konkretes Arbeitsplatzangebot haben, aber Potenzial für den deutschen Arbeitsmarkt mitbringen, wird ab 1. Juni 2024 eine Chancenkarte eingeführt. Diese basiert auf einem Punktesystem. Zu den Kriterien gehören Qualifikationen, Deutsch- und Englischkenntnisse, Berufserfahrungen, ein Deutschlandbezug, das Alter und das Potenzial der Lebens- oder Ehepartner. Zu den Details:

Qualifikation

  • Als gleichwertig anerkannte ausländische Qualifikation oder
  • ausländischer Hochschulabschluss oder
  • im Ausbildungsstaat anerkannter zweijähriger Berufsabschluss oder
  • von einer deutschen Auslandshandelskammer erteilter Berufsabschluss.

Sprachkenntnisse

  • Deutsche Sprachkenntnisse auf Niveau A1 oder
  • englische Sprachkenntnisse auf Niveau B2.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann man für Kriterien wie Anerkennung der Qualifikationen in Deutschland, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Alter und Deutschlandbezug sowie das Potenzial der mitziehenden Lebens- oder Ehepartner unterschiedliche Punkte sammeln. Um die Chancenkarte zu erhalten, müssen mindestens sechs Punkte erreicht werden.

Die Chancenkarte wird für längstens ein Jahr erteilt, unter der Voraussetzung, dass der Lebensunterhalt für diese Zeit gesichert ist. Während dieser Zeit besteht die Möglichkeiten zur Probearbeit oder Nebenbeschäftigung im Umfang von 20 Stunden in der Woche. Wenn man danach keine andere Arbeitserlaubnis bekommen kann, aber ein Angebot für eine qualifizierte Beschäftigung hat, kann die Chancenkarte um weitere zwei Jahre verlängert werden.

Auch wenn die Mindestpunktzahl von sechs Punkten erreicht ist, liegt die Entscheidung über die Erteilung des Einreisevisums im Ermessen des deutschen Konsulats des jeweiligen Einreiselandes. Dabei sollen auch künftig wirtschaftliche Interessen, die Arbeitsmarktlage, die gesellschaftliche Integration und die öffentliche Sicherheit berücksichtigt werden.

Prozess von der Einwanderung bis zur Beschäftigung

Von der Entscheidung, einen ausländischen Facharbeiter aus einem Drittstaat in dem eigenen Unternehmen in Deutschland zu beschäftigen, bis zu seiner Tätigkeitsaufnahme ist es ein längerer Prozess, der im Ausnahmefall auch schon einmal bis zu einem Jahr dauern kann.

Balkanregelung

Die sogenannte Westbalkan-Regelung wird entfristet und das Kontingent verdoppelt. Damit dürfen künftig jährlich bis zu 50.000 Staatsangehörige aus den Westbalkanstaaten nach Deutschland zuwandern. Dazu gehören die Länder:

  • Albanien,
  • Bosnien und Herzegowina,
  • Kosovo,
  • Montenegro,
  • Nordmazedonien und
  • Serbien.

Sie können für jede Beschäftigung nach Deutschland einreisen, ohne berufliche Qualifikationen nachweisen zu müssen.

(Inkrafttreten: 1. Januar 2026)

Asylbewerber

Asylbewerber, die vor dem 29. März 2023 eingereist sind und unter anderem eine entsprechende Qualifikation und ein Arbeitsplatzangebot haben oder sich bereits in einem entsprechenden Arbeitsverhältnis befinden, können ihr Asylverfahren durch Antragsrücknahme beenden und eine Aufenthaltserlaubnis als Fachkraft beantragen, ohne zuvor auszureisen und ein Visumverfahren durchlaufen zu müssen.
(Inkrafttreten: 1. März 2024)

[Bearbeitungsstand: 17.10.2023]